Nachbarschaftsläden
Wir haben die Entwicklung von Nachbarschaftsläden von der 1. Idee über die Klärung von Trägerschaft und Finanzierung (Wirtschaftlichkeitsberechnung) bis zur Umsetzung, so z.B. in Berglangenbach und Ermetheis begleitet.
Aktuell empfehlen wir das Dorfladen-Netzwerk für die tiefergehende Beratung.
Nachbarschaftsläden
Das Leben im ländlichen Raum wurde lange Zeit durch eine große räumliche Nähe bestimmt. In der kleinen Dorfgemeinschaft konnte der überwiegende Teil der Versorgung und Infrastruktur vom Dorfe selbst gestellt werden, sowohl durch die zahlreichen Handwerker, als auch durch verschiedene Läden. Der kleine Laden "um die Ecke", in der man Waren des täglichen Bedarfs beziehen konnte, ist in unserer Sprache als "Tante-Emma-Laden" erhalten geblieben.
Diese Läden waren nicht nur eine wichtige Versorgungsstelle im Dorf, sondern auch ein Mittelpunkt der Kommunikation. Doch das traditionelle Dorfleben hat sich in den letzten 60 Jahren stark gewandelt. Durch den Rückgang der Landwirtschaft sind heute viele Dorfbewohner zu Pendlern geworden, auch die dörfliche Infrastruktur, bestehend unter anderem aus Gastwirtschaft, Laden und Schule, ist auf dem Rückzug. Die weiteren, durch den demografischen Wandel zu erwartenden Veränderungen im ländlichen Raum verstärken diese ohnehin problematischen Entwicklungen der wohnortnahen Grundversorgung.
Es ist zu erwarten, dass gerade die peripher gelegenen Dörfer unseres Landes künftig zum Teil deutlich weniger Einwohner haben werden. Damit wird es für die Anbieter der so wichtigen Elemente der Daseinsvorsorge wie Post, Telekommunikation, Gesundheits- und Pflegewesen, Einzelhandel usw. noch weniger attraktiv, sich in diesen Dörfern zu engagieren.
Hinzu tritt, dass die in den Dörfern verbleibende Bevölkerung auch älter sein wird und damit weniger mobil. Da diese prognostizierten Entwicklungen nicht "über Nacht" auf die Orte zukommen, kann dem Zerfall der Dorfgemeinschaft, der Verödung der Dörfer sowie deren Entwicklung zu reinen Wohn- und Schlafsiedlungen durch gezielte Ideen, Konzepte und Programme entgegengewirkt werden. In der Frage der Wiederbelebung von Dorfläden ist es die vielseitig umsetzbare Idee des so genannten Nachbarschaftsladens, die der Wiederherstellung der Grundversorgung im Ort, sowie der Festigung der dörflichen Gemeinschaft dienen und in einer seiner möglichen umsetzbaren Facetten im Folgenden näher erläutert werden soll.
Problematik
In vielen kleinen Orten gibt es seit Jahren kein Lebensmittelgeschäft mehr. Gestützt auf Rentabilitätsberechnungen ziehen sich die Anbieter aus der Fläche zurück. Viele kleinere Geschäfte, von Privateigentümern als "Tante-Emma-Laden" geführt, finden keine jüngeren Nachfolger, weil eine Fortführung des Geschäftes nicht mehr rentabel erscheint oder dies nur mit einem nicht mehr vertretbaren Mehraufwand verbunden ist.
Besonders für der im Zuge demographischer Entwicklungen immer größer werdende Anteil der älteren Menschen, aber auch für alle Nicht-Motorisierten und körperlich Eingeschränkten wird das Einkaufen im Supermarkt des nächsten größeren Ortes zu einem echten Problem: Man kann nicht mehr selbstständig einkaufen, stattdessen müssen die benötigten Lebensmittel, wenn überhaupt möglich, von Familienmitgliedern oder Bekannten mitgebracht werden. Oder es wird samstags mit dem Familienauto eingekauft. Die Verfügbarkeit des eigenen Autos wird zum Muss!
Aber nicht nur der Lebensmitteleinzelhandel, auch Gaststätten, Banken, Post, Bahn und öffentliche Verwaltung ziehen sich immer mehr aus den Dörfern in größere, zentralere Orte zurück. Das nimmt dem Dorf den kleinen Laden, die Poststelle, die Gemeindeverwaltung, Kindergarten, Schule, Lehrer und Pfarrer. Damit werden wichtige Versorgungseinrichtungen voneinander getrennt und die Erreichbarkeit der einzelnen Dienstleistungen wird für die Dorfbewohner erschwert.
Doch mit dem Verschwinden der Poststelle und des letzten Ladens im Dorf verschlechtert sich nicht nur die Versorgungslage. Es verschwinden wichtige Treffpunkte im Dorf, die das Leben im ländlichen Raum immer bereichert haben. Wenn man sich nicht mehr zufällig über den Weg läuft, ohne dies vorher geplant zu haben, verödet das dörfliche Miteinander mit der Zeit.
Genau hier setzt die Idee des Nachbarschaftsladens an: Warum sollte es eigentlich nicht möglich sein, einen Laden, der die Grundversorgung mit Lebensmitteln garantiert, auf der Basis eines ehrenamtlichen Engagements zu organisieren? Der Nachbarschaftsladenstellt eine praktikable Lösung dieses Problems in kleineren Ortschaften dar, um ein ausreichendes Waren- und Dienstleistungsangebot, wirtschaftlich tragfähig, zu gewährleisten.
Nachbarschaftsladen
Was ist das eigentlich? Was ist das Neue daran? - Was unterscheidet den Nachbarschaftsladen von einem gewöhnlichen Tante-Emma-Laden? - Worin liegen die Vorteile?
Der Begriff Nachbarschaftsladen hat Konjunktur und wird in vielerlei Bedeutungen gebraucht. Projekte, die das "Etikett" Nachbarschaftsladen tragen, existieren in großer Zahl in der Bundesrepublik und im benachbarten europäischen Ausland. Die Bandbreite reicht von gemeinschaftlich betriebenen kleinen Lebensmittelgeschäften bis hin zu multifunktionalen Einrichtungen für bestimmte Zielgruppen (Frauen, ausländische Mitbürger) bzw. spezifische Themen, die nur teilweise oder gar nichts mit einem stationären Angebot an Lebensmitteln oder Waren des täglichen Bedarfs zu tun haben (Quelle MWVLW).
Während der Fokus des Begriffs des Nachbarschaftsladens in seinen Anfängen noch rein auf den Zusatzfunktionen eines Ladens in Form von Service und Dienstleistungen lag, hat die Praxis der zurückliegenden Jahre gezeigt, dass es sinnvoll erscheint, den Begriff weiter zu fassen und nicht auf das Angebot von reinen Zusatzfunktionen zu beschränken.
Der Begriff des Nachbarschaftsladens wird daher seit einigen Jahren in Rheinland-Pfalz sehr viel weiter gefasst. Unter einem Nachbarschaftsladen verstehen wir heute "ein stationäres Einzelhandelsgeschäft an Standorten mit bis zu 3.000 Einwohnern, das ein Lebensmittelgrundsortiment und Artikel des täglichen Bedarfs anbietet und damit den Grundbedarf an Nahrungsmitteln und Artikeln des täglichen Bedarfs am jeweiligen Standort weitgehend befriedigen kann." Hier liegt somit der Fokus nicht ausschließlich darauf, durch eine Bündelung von Einzelhandelsfunktionen mit anderen Dienstleistungsfunktionen innerhalb eines Ladengeschäfts, verschiedene Dienstleistungsfunktionen, die einzeln dauerhaft nicht aufrecht erhalten werden könnten, im Ort zu halten, sondern vor allem auf dem Sortiment selbst. Reichen Breite und Tiefe des Sortiments (insbesondere im Frische-Bereich) aus, um den Grundbedarf an Nahrungs- und Genussmitteln und Artikeln des täglichen Bedarfs abzudecken?
Trendforscher sprechen in diesem Zusammenhang bereits von einer Renaissance des Tante-Emma-Prinzips. Immer mehr Menschen wollen nicht mehr kilometerweit auf die grüne Wiese in großen anonymen Supermärkten einkaufen. Sie haben "groß und billig" scheinbar satt. Das Einkaufsverhalten in Deutschland scheint sich, vor allem im Zuge des hohen Benzinpreises zu verändern, lange Fahrten zum billigen Großmarkt auf der grünen Wiese werden unattraktiver. Was aber nun unterscheidet den Nachbarschaftsladen vom herkömmlichen "Tante-Emma-Laden"?
Das entscheidend Neue am Nachbarschaftsladen ist die Organisation der Trägerschaft des Ladens auf einer nachbarschaftlich-gemeinschaftlichen Basis im Dorf und die Konzentration der Funktion dieses Ladens auf die Versorgung, und nicht ausschließlich auf die Gewinn-Erzielung. Damit können zum einen die Betriebskosten gesenkt werden, zum anderen ist keine Gewinnentnahme als Unternehmerlohn mehr notwendig, so dass im Vergleich zum klassischen "Tante-Emma-Laden" eine Kostendeckung viel leichter möglich ist und der Laden damit betriebswirtschaftlich lebensfähig bleibt.
Der Blick in einen Nachbarschaftsladen
Was wird angeboten? - Wie soll er aussehen?
Das Kernangebot sind natürlich die Lebensmittel. Zwar kann ein großer Supermarkt ein größeres Sortiment bieten, andererseits kann ein Nachbarschaftsladen auf den persönlichen Bedarf besser reagieren, zumal bei Stammkunden sind. Darüber hinaus lässt sich auf bereits 100m² ein vielfältiges Angebot unterbringen: Neben Regalen für allerlei Waren auch eine Obst- und Gemüseauslage, Gefriergut in Tiefkühltruhen, Milchprodukte im Kühlregal, frisches Fleisch, Wurst und Käse in einer Frischwarentheke, frisches Brot und auch eine Leergutannahme.
Der Nachbarschaftsladen kann bei der Auswahl seines Sortiments auch auf landwirtschaftliche Direktvermarkter der Region zurückgreifen, was einen positiven Effekt auf die lokale Wirtschaft hat.
Neben dem Lebensmitteleinzelhandel ist der Nachbarschaftsladen aber auch ein Fundament für weitere Dienstleistungsangebote. Die in einem Nachbarschaftsladen einzurichtenden Dienstleistungsangebote können von Ort zu Ort variieren, je nach dem noch vorhandenen Angebot im Dorf und dem Bedarf der Bewohner: Postagentur, Lotto, Versandshop, Fotoservice, Stehcafé, Reinigungs- und Reparaturannahme, Bankstelle usw. Man kann das aber durchaus noch weiter betrachten: So können z.B. Faxgeräte, Internet-PC und Kopierer nicht nur vom Betreiber, sondern auch von den Kunden mitgenutzt werden. Diese Bündelung von Dienstleistungen unter einem Dach hat zahlreiche positive Folgewirkungen:
- Je mehr Angebote unter einem Dach sind, desto mehr erhöht sich die Attraktivität der Gesamteinrichtung für den Nutzer: Ein Weg zum Laden erfüllt mehrere Zwecke. Und wer nur mal schnell ein Paket abgeben wollte, bleibt auch noch gern zum Einkauf.
- Durch die Zusammenfassung von Einzelangeboten lassen sich Kosten sparen: Das gleiche Personal nimmt mehrere Aufgaben wahr.
- Je mehr Gründe der Kunde hat, den Laden aufzusuchen, desto mehr wird der Laden zu einem Treffpunkt im Ort und bringt Leben ins Dorf.
Öffnungszeiten
Nach der Mehrheit der Kunden sollten die Ladenöffnungszeiten so lang wie möglich sein. Jede Ladenöffnungsstunde ist jedoch mit Personal- und Betriebskosten verbunden, so dass eine Beschränkung sinnvoll und notwendig ist. Das gilt sowohl für Nachbarschaftsläden, als auch für privat geführte Läden.
Im Nachbarschaftsladen kann bei der Festlegung der Öffnungszeiten auf die Wünsche der Teilhaber und Kunden zurückgegriffen werden. Dazu wird eine Befragung und Ermittlung dieser Wünsche durchgeführt und eine Kompromisslösung gesucht. Wie sich in der Erfahrung bereits vorhandener Nachbarschaftsläden gezeigt hat, sind Öffnungszeiten von zwei bis drei Stunden am Vormittag zwischen sieben und zwölf Uhr sinnvoll, sowie zwei Stunden am Nachmittag von 16 bis 18 Uhr. Die Öffnungszeiten am Vormittag sind auf die "Ganztagsbewohner" ausgerichtet, das heißt vor allem Hausfrauen, sowie alte Menschen, die mittagessenorientiert einkaufen.
Mit der spätnachmittäglichen Ladenöffnung ist auch den Pendlern unter der Dorfbevölkerung die Möglichkeit zum Einkauf gegeben. Durch jährlich stattfindende Kunden- und Teilhaberbefragungen kann auf Änderungswünsche zu den Ladenöffnungszeiten eingegangen werden.
Wohin mit dem Laden? - Die Suche nach Räumlichkeiten
Für einen Nachbarschaftsladen werden natürlich Räumlichkeiten bestimmter Art und Größe, sowie ein geeigneter Mikro Standort (die Lage des Ladens innerhalb des Ortes) benötigt. So sollte allein das Ladenlokal, je nach Bedürfnis, mindestens 100m² groß sein, für Büro und Lager braucht man noch mal 20 bis 30m².
Die Größe der Fläche ist jedoch nicht allein entscheidend. Die Verkaufsfläche sollte ebenerdig (barrierefrei) sein, damit auch älteren und körperlich behinderten Menschen der Einkauf erleichtert bzw. erst ermöglicht wird.
Für die Eignung von Räumen ist auch die Frage wichtig, ob die Räume für die zukünftige Ladennutzung ohne größere und kostenaufwändige Umbaumaßnahmen auskommen oder inwieweit Umbauten notwendig sind.
Sehr gut ist es natürlich, wenn man auf die Räume eines ehemaligen Ladens zurückgreifen kann. Oder gibt es im Ort vielleicht ehemalige landwirtschaftliche Gebäude, die heute leerstehen? Im Sinne einer Umnutzung können z.B. die Räume eines Nachbarschaftsladens in einer alten Scheune untergebracht werden.
So wurde in Berglangenbach (Rheinland-Pfalz) die alte Dreschscheune zu einer Markthalle und einem Nachbarschaftsladen umgebaut. Oder aber muss vielleicht ein Neubau her, um geeignete Räume zu schaffen?
Für Umbauten und Neubauten kann auf öffentliche Gelder im Sinne einer Anschubfinanzierung zurückgegriffen werden (siehe auch Kapitel zur Finanzierung).
Das Beispiel Berglangenbach
Auch in Berglangenbach in der Verbandsgemeinde Baumholder (Rheinland-Pfalz) gab es schon einige Jahre kein Lebensmittelgeschäft mehr, als im Jahre 1996 die Dorferneuerung Einzug hielt. Die Idee eines Nachbarschaftsladens fiel hier auf fruchtbaren Boden: Nachdem im Rahmen der Dorfmoderation eine Befragung eine breite Beteiligung und hohe Akzeptanz des Ladens innerhalb der Bevölkerung erkennen ließ, gründete sich der Verein "Nachbarschaftsladen" mit 135 Mitgliedern.
Gleichzeitig rückte ein alter Maschinenschuppen in den Mittelpunkt des Interesses. Für diese 1925 erbaute Scheune der ehemaligen Dreschgemeinschaft wurde eine neue Nutzung gesucht, zumal die Scheune sehr zentral am "Festplatz" in der Ortsmitte stand. Ziel war es, einen aktiven Ortsmittelpunkt zu schaffen. Daraus entstand das Konzept der Umnutzung der Dreschscheune in eine multifunktionale Markthalle, mit einem Laden zur Deckung der örtlichen Grundversorgung.
Der Laden ist in der dem Platz zugewandten Ostseite der Scheune untergebracht. Der Hallenboden wurde mit einem Holzpflaster belegt, um unterschiedlichen Nutzungen Rechnung zu tragen, so auch, um Verkaufsstände und Marktfahrzeuge darauf aufzustellen. So existiert nun zusätzlich zum Nachbarschaftsladen die Möglichkeit, dass ambulante Händler dort ihren Stand aufstellen. Außerdem werden Märkte organisiert, sowie Weihnachts- oder Herbstmärkte.
Leider mußte der Laden nach 10 Jahren geschlossen werden, da die Bevölkerung in dieser Zeit um 11% auf 463 abnahm und die jüngere Generation nicht so aktiv wie erhofft im Laden eingekauft hat. Auch fehlten hier Einkäufer aus Nachbarorten bzw. Durchgangsverkehr und eine Einbindung von Dienstleistungsangeboten
Die Organisation: Gemeinsame Trägerschaft und Aktive Teilhabe
Obwohl die Gesellschaftsform (Rechtsform) des Nachbarschaftsladens für die Frage der Marktfähigkeit keine Rolle spielt, soll an dieser Stelle doch kurz umrissen werden, welche Möglichkeiten es grundsätzlich gibt und welche sich am weitesten verbreitet haben. Die Einzelfirma stellt hier den größten Anteil der Gesellschaftsformen bei Betreibern von Nachbarschaftsläden dar. Sie ist für eine einzelne Privatperson, die einen solchen Laden betreibt die sinnvollste Alternative.
Sobald mehr als eine Person den Laden betreiben will, stehen vielfältige Gesellschaftsformen, unter anderem Kapitalgesellschaften (AG / GmbH) oder Personengesellschaften (OHG) zur Auswahl, die inzwischen am weitesten verbreitete Gesellschaftsform für gemeinschaftlich betriebene Nachbarschaftsläden stellt jedoch der Wirtschaftliche Verein e.V. dar. Obwohl es auch hier bestimmte Formalien zu beachten gilt, gibt es einige Vorteile gegenüber der vormals häufig vertretenen BGB-Gesellschaft (GbR). Die Haftung ist hier klar beschränkt, im schlimmsten Falle können die Vereinsmitglieder zwar ihre Einlagen verlieren, darüber hinaus aber nicht zur Haftung herangezogen werden. Hinzu kommt, dass nur eine Steuererklärung für den Laden abgegeben werden muss und nicht für jedes Mitglied einzeln. Da hier (ebenso wie bei der GbR) keine feste Mindesteinlage oder festes Kapital vorgeschrieben ist, verfügt der wirtschaftliche Verein e.V. über einen großen Gestaltungsspielraum. Damit ist die Möglichkeit gegeben, die Organisation und Trägerschaft des Ladens der jeweiligen Situation bestmöglich anzupassen. Schon mit wenigen hundert Euro Betriebseinlage können einzelne Bürger und Familien direkt Miteigentümer und Träger des Nachbarschaftsladens werden.
Diese Einlage muss aber nicht unbedingt in Geld geleistet werden, sondern kann auch in Sachwerten oder Arbeitsleistungen bestehen. Je breiter die Trägerschaft des Ladens auf die Bewohner des Dorfes verteilt ist, desto besser: Damit wird das betriebliche Risiko auf mehrere Schultern verteilt. Die Betriebseinlage der Vereinsmitglieder wird für die Einrichtungskosten und die erste Warenausstattung des Ladens verwendet. Durch die Beteiligung möglichst vieler Bürger und Haushalte wird es möglich, das notwendige Kapital dafür ohne einen Kredit aufzubringen.
Aktive Teilhabe bedeutet aber nicht nur, Vereinsmitglied und Mitträger des Ladens zu sein. Aktive Teilhabe beinhaltet idealerweise auch ehrenamtliches Engagement und die Identifikation mit dem Laden. Je mehr man "mit anpackt", desto niedriger sind die Betriebskosten. Das kann Mithilfe beim Ausbau des Ladens sein, sowie Leistungen im Bereich der Anlieferung oder eines möglichen Ausfahrservices.
Um einen Nachbarschaftsladen herum sind schon viele weitere Initiativen entstanden, so z.B. ein Bringbus, der besonders älteren Leuten das Einkaufen im Nachbarschaftsladen ermöglicht.
Wichtig ist vor allem die Identifikation der Teilhaber mit IHREM Nachbarschaftsladen. Sie stärkt das Fundament eines Ladenprojektes in der Bevölkerung. Denn wer selbst daran beteiligt ist, hat auch mehr Grund, den Nachbarschaftsladen zu nutzen. Je mehr der Laden umsetzt, desto höher ist nachher die Gewinnausschüttung. Mit einer höheren Frequentierung steigt also auch die Gewinnbeteiligung der Teilhaber.
Hierbei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass diese Ziele nicht nur durch große Motivation erreicht werden können. Nur hinreichend qualifiziertes Personal mit ausreichenden Sortimentskenntnissen und einem Minimum an betriebswirtschaftlichem Know-How kann diese Ideale auch nachhaltig umsetzen.
Wer soll das Bezahlen? - Die Finanzierung
Die Finanzierung eines Nachbarschaftsladens hat einige Besonderheiten, die ihn gegenüber der veränderten Situation des Einzelhandels lebensfähig machen sollen.
Wo kleine Dorfläden keine Chance mehr haben, weil sie sich "nicht mehr rechnen" gegenüber den Supermärkten auf der Grünen Wiese, ist der Nachbarschaftsladen durch seine besonderen Strukturen wirtschaftlich existenzfähig.
Generell muss jedoch angemerkt werden, dass keine allgemein verbindliche oder ideale Finanzierungsstruktur angeboten werden kann, da die Grundvoraussetzung für jedes Projekt zu verschieden sind. Von öffentlicher Seite stehen der Errichtung eines Nachbarschaftsladens zwar Mittel zu, jedoch ist immer zu beachten, dass dieser aber langfristig auf eigenen Beinen stehen muss.
Ermöglicht wird dies neben der öffentlichen Anschubfinanzierung und den Einlagen der Vereinsmitglieder durch die besondere Art der Geschäftsform, die im vorigen Abschnitt bereits vorgestellt wurde.
Die Unterstützung der Gemeinden kann unterschiedlich aussehen, z.B. die Moderation bei der Gründung des Ladens, Hilfe bei der Überwindung bürokratischer Hürden oder auch das Bereitstellen geeigneter Liegenschaften. Oft ist eine öffentliche Förderung in Form einer Anschubfinanzierung notwendig: Die Baukosten, die Einrichtung und Ausstattung des Ladens erfordern in vielen Fällen erhebliche Investitionen, die die Bürger nicht alleine tragen können, insbesondere wenn nicht sofort auf geeignete Räumlichkeiten und auf eine Ladeneinrichtung zurückgegriffen werden kann (siehe auch "Wohin mit dem Laden?").
Öffentliche Förderungen zum Anschub sind z.B. durch Zuschüsse im Rahmen der Dorferneuerung oder durch Startgeld, Darlehen usw. der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) möglich, aber auch eine längerfristige Unterstützung ist denkbar: So übernimmt z.B. im Falle des Nachbarschaftsladens in Hutten die Gemeinde Schlüchtern (Hessen) einen Teil der Pachtkosten.
Diese öffentliche Unterstützung sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Betrieb des Ladens letztlich durch den Laden selbst finanziert werden muss. Der Nachbarschaftsladen stellt eine Nische im Einzelhandel dar, bleibt aber Teil des normalen Wirtschaftslebens. Um die Betriebskosten möglichst gering zu halten, greift man beim Nachbarschaftsladen auf eine besondere Art von Geschäftsform- und -führung zurück. Einzelne Aspekte wurden schon weiter oben angesprochen, zusammengefasst ergibt sich das Profil des Nachbarschaftsladens:
- Durch die gemeinsame und möglichst breite Trägerschaft wird das Risiko aufgesplittet und die Haftung beschränkt.
- Durch die Einlagen der Vereinsmitglieder kann das Startkapital (zumeist) ohne Kredit erbracht werden.
- Die Teilhabe am Laden stärkt die Identifikation mit dem Projekt und damit den Anreiz, dort einkaufen zu gehen.
- Da die Versorgungsfunktion im Vordergrund steht, muss keine umfangreiche Gewinnentnahme als Unternehmerlohn stattfinden
- Die Minimierung der Betriebskosten erfolgt z.B. durch die Einstellung geringfügig Beschäftigter, die Geschäftsführung ist ehrenamtlich oder wird mit einer geringen Aufwandsentschädigung vergolten. Dies variiert jedoch von Projekt zu Projekt.
Zahlreiche Beispiele haben bereits gezeigt, dass es mit diesem Konzept möglich ist, dem Dorf seinen Laden wiederzugeben und den Trends der Verödung und des Verlustes der gemeinschaftlichen Identität entgegenzuwirken.
Sehr sinnvoll und zunehmend praktiziert ist auch die Kombination der Lebensmittelversorgung mit einem (stundenweisen) Dienstleistungsangebot, z.B. Arztsprechstunde, Fußpflege, Friseurin, Krankengymnastik o.ö. und einem dörflichem Treffpunkt (Café, ggf. auch mit Angeboten wie Spieletreff, Bücherei usw.). Die steigert die Mitnahmeeffekte und bildet wieder einen kommunikativen Mittelpunkt im Dorf.
Zusammenfassung
Die vorangegangenen Erläuterungen haben gezeigt, wie ein Nachbarschaftsladen aussieht, wie er aufgebaut und geführt werden kann. Wie aus den Beispielen zu erkennen, ist es trotz der steigenden Anzahl von Supermärkten, SB-Warenhäusern, Einkaufszentren etc. auf der "grünen Wiese" möglich, einen Laden wirtschaftlich zu betreiben, der die wohnungsnahe Versorgung des Dorfes sicherstellt.
Dabei können die Hilfen der Gemeinden bei der Einrichtung eines Nachbarschaftsladens sehr vielfältig sein. Sie sollen kein Eingriff in den Wettbewerb sein, doch ein Wettbewerb fand in den ladenfreien Zonen des ländlichen Raumes ohnehin schon lange nicht mehr statt.
Der Nachbarschaftsladen ist kein Patentrezept zur Lösung aller dörflichen Probleme; er kann aber in seinem Bereich, d.h. vor allem im Bereich der Versorgung, einen Beitrag zum Erhalt und zur Weiterentwicklung dörflicher Infrastruktur darstellen. Die Gründung und der Betrieb eines Ladens kann zu weiteren Impulsen in der Entwicklung des Dorfes führen. So sorgte z.B. das Vorhandensein eines Nachbarschaftsladens dafür, dass in einer Gemeinde im Hunsrück die Nachfrage nach Bauplätzen spürbar anstieg.
Die Eröffnung eines Nachbarschaftsladens ist eine nachhaltige Investition in eine lebenswerte Zukunft des Dorfes. Die Nachbarschaftsläden stellen eine Nische im Einzelhandel dar, die es mit Leben zu füllen gilt.
Literatur:
- BUNDESMINISTERIUM für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.) (1990): Nachbarschaftsladen 2000 und Teleservicecenter für den ländlichen Raum. Bonn-Bad Godesberg
- BUNDESMINISTERIUM für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.) (1995): Nachbarschaftsladen 2000 als Dienstleistungszentrum für den ländlichen Raum. o.O.
- HESSISCHES MINSTERIUM für Wirtschaft, Verkehr, Technologie und Europaangelegenheiten (Hrsg.) (1994): Der Nachbarschaftsladen: Alles unter einem Dach! Wiesbaden
- LANDKREISTAG Rheinland-Pfalz, MINISTERIUM des Innern und für Sport (Hrsg.) (2008): Grundversorgung im Dorf. Innovative Modelle und Aktivitäten zur Sicherung einer wohnortnahen Grundversorgung. 27. Informationsveranstaltung des Landkreistages Rheinland-Pfalz zur Dorferneuerung. Mainz.
- MINISTERIUM für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (2009): Nachbarschaftsläden in Rheinland-Pfalz. Ein Leitfaden für Gründer und Betreiber. Mainz.